Lebe laut - ein Interview mit Imke

Das Zuhause anderer Leute zu sehen, ist ja immer interessant. Die Art, wie jemand sich einrichtet erzählt schließlich viel über dessen Charakter und Vorlieben. Wahrscheinlich folge ich auch deshalb gerne Interior Profilen in den sozialen Medien. Besonders interessant wird es immer dann, wenn jemand mehr zeigt als nur die polierte und aufgeräumte Oberfläche. Einer von diesen Menschen ist Imke, die auf Instagram Einblicke in ihr Zuhause und ihren Alltag gibt. Imke mag Farben und Möbelstücke mit Charakter und Dellen. Aber es geht bei ihr um sehr viel mehr als nur um Interior. Sie schreibt immer wieder über das „laut leben“ und den Mut, sich zu zeigen. 

Was es damit auf sich hat, erzählt Imke im Interview.

Simone: Imke, was bedeutet eigentlich laut leben für dich?

Imke: Da muss ich etwas weiter ausholen…

Vor circa vier Jahren, wurde ich mit Parkinson diagnostiziert. Alles um mich herum hat sich geschlossen, meine Sinne waren wie betäubt. Da waren nur Angst, Trauer und Wut und dieses Gefühl, etwas unwiederbringlich verloren zu haben. Nach dem Schock kam die schlechte Laune und eine Art Endzeitstimmung. Ich konnte das ewige „es wird schon alles gut“ von Freunden und Familie nicht mehr hören. 

Eines Tages saß ich im Auto, Depri-Musik auf voller Lautstärke, Tränen in den Augen und dann dachte ich mir… 

Jetzt ist SCHLUSS! SCHLUSS mit dem Selbstmitleid, SCHLUSS mit der schlechten Laune, SCHLUSS mit diesem Menschen, den ich selbst nicht mehr ausstehen konnte und SCHLUSS damit, der Krankheit jetzt schon die volle Kontrolle über mein Leben zu geben, in einem Moment, wo ich einen minimal leichten Tremor in der rechten Hand hatte.

Ich suchte auf Spotify einen Gute Laune Song, drehte ihn auf laut und sang lauthals mit. Mit jedem gefahrenen Meter ging es mir besser. Laut Singen im Auto bei voll aufgedrehter Musik ist für mich die beste Therapie überhaupt.

Und in dem Moment machten die folgenden ganzen klischeehaften Sprüche, in meinen Augen und Ohren absolut Sinn…

LEBE LAUT!

Lebe im Hier und Jetzt!

Lebe herzlich, glücklich, farbenfroh oder in Kontrasten!

Singe, lache, weine und schreie!

Tanze um dein Leben!

Carpe diem! 

Live life to the fullest! 

Do more of what makes you happy. 

Denn… und das ist der schwierigste Spruch von allen, du hast nur ein Leben.…

Das bedeutet „lebe laut“ für mich, all diese klischeehaften und doch so wahren Sprüche jeden Tag aufs Neue zu leben. Bewusster zu leben und zu versuchen, mehr von dem zu tun, was mich glücklich macht.

Simone: Tust du dich manchmal auch schwer damit und wie motivierst du dich dann? 

Imke: Ich tue mir jeden Tag schwer damit. Mit Zwillingen - bald drei Jahre alt - bleibt nicht viel Zeit für einen selbst. Aber ich merke immer mehr, dass sich mein Körper und meine Seele das holen, was sie brauchen. Bei Dingen, die mir keinen Spaß machen… da fällt es mir echt schwer, mich zu motivieren und dann hüpfe ich lieber zu Dingen, die ich liebe und gerne mache. 

Wenn ich mich total eingesogen fühle vom Alltag, versuche ich rauszukommen, besuche meine Schwestern - alleine die zweistündige Autofahrt mit voll aufgedrehter Power-Musik schiebt mich im wahrsten Sinne des Wortes wieder vorwärts. Freunde treffen oder auch mal ein Wochenende alleine in einer anderen Stadt oder um die Ecke im Hotel zu verbringen, tut mir gut. Ich brauche oft mal wieder eine Portion Alleinsein, nur mit mir selbst. Mit dem Abstand finde ich dann auch zu mir selbst zurück.  

Oft lässt man sich ja auch ausbremsen durch die vielen “vielleicht”, “was wenn” oder “was denkt wer” und so weiter. Meine Devise ist - einfach machen!, denn am Ende zählt nur, was man selbst will und mehr als schiefgehen und aus etwas eine Lehre ziehen, kann doch nicht wirklich passieren.

Getreu diesem Motto habe ich auch vor einigen Monaten die Gelegenheit ergriffen, meine heißgeliebten Wayuu Taschen zu vertreiben. Dabei handelt es sich um einzigartige, farbenfrohe Handwerkskunst-Handtaschen vom Stamm der Wayuu in Kolumbien, die ich über Instagram unter @wanderlust.bazaar anbiete. Und vor ein paar Tagen, bin ich einfach meinem Herzen gefolgt und habe kurzerhand, ohne lange zu überlegen, ein weiteres Profil aufgemacht. Bei @cheers2life geht es um mein Leben mit Parkinson aber auch um die Krankheit generell. Dabei wollte ich eine Plattform schaffen zum Kennenlernen und Austauschen mit anderen Betroffenen.

Simone: Was bedeutet laut leben für dich in deiner Einrichtung? 

Imke: Im Interieurbereich heißt das für mich viel Farbe und viele Gute Laune-Elemente, die mir täglich ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Mich umgeben mit Dingen, die ich liebe, wie Blumen. Oder meiner Leidenschaft, der Suche nach dem Besonderen, Schönen und Außergewöhnlichen, nachzugehen. Meine Vorlieben zu suchen, die Liebe auf den ersten Blick zu finden und diesen Aktivitäten, meiner Kreativität und neu gewonnenen und gefundenen Talenten Freiraum zu geben. Einfach zu machen, ohne großen Plan und zu schauen, was dabei rauskommt. 

Simone: Was ist dir wichtig an Dingen, die dich täglich umgeben? 

Imke: Ich muss sie absolut lieben! Egal ob alt oder neu, denn ich mixe gerne alte und neue Sachen. Ich mag es gern farbenfroh und habe keine Angst davor, Farben kunterbunt zu mixen, egal ob in intensiven oder pastelligen Tönen. Außerdem liebe ich Möbel mit einer Geschichte und Patina.  Unsere Hobelbank, der Brotschrank oder der Wirtshaustisch, die peppig pink bezogenen Stühle meiner Eltern, oder unser Industrial-Werkstatt Stuhl… Wir haben viele alte Möbel. Jede Delle, jeder Kratzer, jeder Farbtupfer kommt mit einer eigenen Geschichte. Deshalb liebe ich meinen Vintage Teppich von dir auch so sehr und bei ihm ist das Besondere, dass ich tatsächlich die detaillierte Geschichte hinter der Herstellung in Handarbeit kenne, dank dir. Raritäten oder Einzelstücke sind natürlich in diesem Sinne noch mal etwas komplett Einzigartiges. Ich mag es, wenn möglichst alle Sinne angesprochen werden, durch Farben, unterschiedliche Haptiken, Muster, Strukturen, einfach ein Sammelsurium an Unerwartetem. 

Simone: Was war deine Motivation dich auf Social Media zu zeigen? 

Imke: Da kamen mehrere Dinge zusammen. Zum einen wollte ich eigentlich immer Schriftstellerin werden, oder Reporterin, einfach schreiben. Schon als Kind habe ich Geschichten geschrieben, wollte ein Buch schreiben, aber aus Angst vor „der brotlosen Kunst“ habe ich mich für ein Studium der internationalen BWL entschieden. Vor knapp einem Jahr hatte ich dann plötzlich super viel zu erzählen, denn ich hatte gerade angefangen, Stück für Stück unser komplettes Haus umzugestalten. Instagram war mein Ventil dafür.

Zum anderen brauche ich im Leben immer wieder Herausforderungen. Eigentlich bin ich ein eher in mich gekehrter Typ, stehe nicht gerne im Mittelpunkt. In einem Gespräch zum Thema Influencer, sagte mir jemand das wäre nichts für mich! In solchen Momenten, in denen mir jemand sagt „du kannst das nicht“, kommt immer eine Art Trotz in mir hoch und ich denke mir „jetzt erst recht, warum denn nicht?“

Außerdem wollte ich auch eine Art Tagebuch schaffen für mich selbst und für meine Familie mit Bildern und Aufnahmen auch von mir, mit normaler Mimik, strahlendem Lächeln und glänzenden Augen, denn diese Ausdrucksfähigkeit wird nicht für immer bleiben.

Und dann haben sich Dinge einfach entwickelt, Freundschaften wurden geschlossen, Leidensgenossen getroffen.  Und nach circa einem Jahr hatte ich das erste Mal eine Begegnung, bei der ich merkte, dass es tatsächlich Leute gab, die von meinen Beiträgen inspiriert und bewegt waren. Die in einer ähnlichen Situation waren wie ich im Jahr zuvor und die durch mich inspiriert wurden, auch Stück für Stück ihr Umfeld umzugestalten. Das macht etwas mit einem. Und dann ist Instagram plötzlich Teil des täglichen Lebens. 

Simone: Welche Einflüsse prägen dich in deinem Stil besonders? Und woher holst du dir Inspiration? 

Imke: In meiner Kindheit sind wir circa alle fünf Jahre aufgrund des Jobs meines Vaters umgezogen. Erst waren wir zehn Jahre in Lateinamerika (Peru, Chile und Kolumbien), dann fünf Jahre in Deutschland und dann habe ich mein Abitur in Singapur gemacht. Vor allem die Zeit in Lateinamerika, die farbenfrohen Ponchos, traditionellen Trachten, Mochilas und Wayuu Taschen und der farbenfrohe Alltag waren ein riesengroßer Einfluss. Aber den größten Einfluss hatte sicherlich meine Mutter mit ihrem farbenfrohen Einrichtungsstil und ihrer Liebe für Flohmärkte, Möbel mit Patina, Antiquitäten und Möbelstücken aus allen Ländern, in denen wir gewohnt haben.

Meine Inspiration hole ich mir überall, ich laufe einfach mit weit offenen Augen durch den Alltag. Sei’s auf Spaziergängen in der Natur, beim Einkaufen in hippen Läden, beim Abendessen in einem schönen Restaurant, im Blumenladen, aber auch im Supermarkt. Und vor allem finde ich Urlaube in anderen Kulturbereichen unheimlich inspirierend. Aber natürlich sind auch Instagram und Pinterest ein riesiger Inspirations-Melting Pot.

Simone: Hab vielen Dank für diese Einblicke, Imke! 

 

Mehr von Imkes farbenfrohen Bildern und ihrem ansteckenden Lebe-laut-Spirit findet ihr bei Instagram unter @cheers2colour, @wanderlust.bazaar und @cheers2life. Schaut unbedingt vorbei! 

Fotos: Imke @cheers2colour